Chaos in der deutschen Kirche . . . (Teil 1)

. . . im Gefolge der neuen pastoralen Leitlinien titelte Maike Hickson am 3. Februar in dem US-amerikanischen Online-Magazin Onepeterfive. Die deutschstämmige Autorin hat von jenseits des großen Teiches eine offensichtlich umfassende Perspektive auf das deutsch-katholische Geschehen, welches sie für die englischsprachige Welt referiert. Hier ist eine Übersetzung von Auszügen:

Nur zwei Tage nach der offiziellen Veröffentlichung der neuen pastoralen Leitlinien für die Ehe scheint es in Deutschland eine Zunahme der Unordnung zu geben. Widersprüchliche, verwirrende und alarmierte Stimmen sind jetzt aus allen Ecken des Landes zu hören. Vor allem aber ist das Dokument selbst schädlicher, als es auf den ersten Blick der Fall zu sein schien.

Der Kirchenrechtler Dr. Edward Peters habe die zuvor veröffentlichten Richtlinien der Bischöfe von Malta als Katastrophe bezeichnet. Die Deutschen seien …

…ziemlich nah an den maltesischen Standard herangekommen. Der deutsche Ausdruck, dass ‚die Entscheidung [der >wiederverheirateten< Geschiedenen], die Sakramente zu empfangen, respektiert werden muss‘, kommt nämlich der maltesischen Aussage nahe, dass die ‚Wiederverheirateten‘ zur Kommunion gehen können, wenn sie „sich im Frieden mit Gott fühlen“. In beiden Fällen wird das subjektive und sentimentalere Gewissen hervorgehoben und ihm sehr entscheidendes Gewicht gegeben.

Hickson zitiert dann die Aussagen von Erzbischof Heiner Koch, als er gefragt wurde,

warum die deutschen Bischöfe – im Gegensatz zu anderen, vorsichtigeren, bischöflichen Leitlinien – jetzt „die weltweite größte Öffnung wählten [im Hinblick auf die ‚wiederverheiratet‘ Geschiedenen], die das eigene Gewissen zur Norm macht“, Koch bedeutsam antwortet: “ Weil wir fest davon überzeugt sind, dass dies die Intention im Wort und im Geist ist, die Papst Franziskus selbst wünscht und geht – und die wir mittragen. “ [Hervorhebungen von Hickson]

So ist es schon klar, dass die deutschen pastoralen Leitlinien zunehmend beunruhigend sind wegen des Akzents, der nun auf das individuelle Gewissen – wenn auch noch nicht auf ein ungeformtes subjektives Gewissen – gelegt werden soll.

In ihrem gestrigen Artikel über die abgeschwächte Wiedergabe der deutschen Leitlinien im Osservatore Romano erwähnt Hickson in Zitierung von Prof. Dr. Hubert Gindert vom Forum Deutscher Katholiken (5.2.2017), dass das Ganze an die Königsteiner Erklärung vom 30.8.1968 erinnert. Genau darauf hatte ich bereits am 3. Februar in meinem Kommentar zu „Was um alles in der Welt ist daran nicht zu verstehen, liebe Bischöfe?“ von Klaus Kelle auf kath.net hingewiesen:

Nichts dazugelernt

Diese Erklärung bzw. das österreichische und schweizerische Pendant (Mariatrost/Solothurn) hatte Kardinal Schönborn vor den Bischöfen Europas am 27.3.2008 im Abendmahlssaal in Jerusalem in einer prophetischen Rede noch als „die Sünde der Bischöfe“ bezeichnet. Diese Erkenntnis am Gnadenort blieb leider ohne jegliche Konsequenz der Umkehr. Lediglich zwei weitere Bischöfe haben sich jemals davon distanziert: Kardinal Meisner 2004 und Bischof em. Elmar Fischer 2012.

Ich bin der Überzeugung, dass jene Erklärungen der Bischöfe eine der entscheidenden Ursachen für den Niedergang der Kirche im deutschen Sprachraum sind, keineswegs eine ominöse irgendwie schicksalhafte „Verdunstung des Glaubens“, wie sie bischöflicherweise gerne bemüht wird. Seit diesem Jahr begann das Vertrocknen des deutschsprachigen Rebzweiges.

Wenn schon jene Erklärungen von 1968 eine solch verheerende Wirkung hatten, so darf erwartet werden, dass die jetzige Erklärung der schon in Agonie liegenden katholischen Kirche in Deutschland in kürzester Frist den Todesstoß versetzen wird. Gibt es eigentlich die Möglichkeit, sich als deutscher Katholik meinetwegen in einer polnischen Pfarrei inkardinieren zu lassen?

5 Gedanken zu „Chaos in der deutschen Kirche . . . (Teil 1)“

  1. Schrecklich wenn die Menschen ihrem Gewissen folgen und nicht der Lehre der Kirche. Oder anders ausgedrückt, wenn das Gewissen der Menschen nicht mehr hundertprozentig den Lehren der Kirche folgt.
    Da ist einiges schief gelaufen, bei der Unterrichtung der Menschen bezüglich der Gewissensbildung. Es bringt eben nix, nach Jahrtausenden schwarzer Pädagogik

  2. Ich hatte dem Titel zunächst den Zusatz „Es herrsche das Gewissen“ hinzugefügt, um den Teil 1 inhaltlich zu präzisieren. Da es so aber verstanden werden musste, dass dieser Zusatz auf Maike Hickson zurückgeht, habe ich ihn wieder gestrichen.

    1. Also keine Gewissensentscheidung? Oder Geswissensentscheidung nur dann, wenn sie den Wünschen, Erkenntnissen, Vorschriften, jetzt habe ich das Wort: Lehren! des römisch-katholischen Lehramtes folgt? Wozu dann Gewissensentscheidung? Dann müssen wie doch nur auf den über achthundert Seiten unter den fast dreitausend Paragrafen des Katechismus der Katholischen Kirche den richtigen finden und müssen unser Gewissen erst gar nicht bemühen! Oder ist das so eine Art Rückversicherung des Lehramtes? Wenns mal schief geht (wie bei Sklaverei und Leibeigenschaft zum Beispiel). Due hadt dich zwar nach der Lehre der Kurche gerichtet, aber weil die falsch war, hätte dein Gewissen dir sagen müssen … letztendlich hast DU dich so entschieden. Falsch entschieden. Deswegen hast auch du die Konsequenzen zu tragen. Nicht der Katechismus. Oder gar das Lehramt.
      Habe ich die katholische Logik getroffen? Erbitte Prüfung und Korrektur.

  3. Damit wir uns nicht falsch verstehen, sollten wir zunächst klären, ob wir unter dem Begriff Gewissen das Gleiche verstehen.
    Ich schlage vor, als „Gewissen“ jene Instanz im menschlichen Bewusstsein zu definieren, welche die eigenen Handlungen oder Handlungsmöglichkeiten mit den eigenen Normen oder ethischen Einstellungen abgleicht. So eine Art Kompass.
    Können wir auf der Basis dieser Definition die Diskussion fortführen?

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