(Artikel 2x ergänzt und leicht korrigiert, zuletzt 13.2.13, 12:45)
Zwei weitere Aspekte zur Pille-danach möchte ich erörtern, erstens zum Verhältnis zwischen Konzeptionsverhütung und Nidationshemmung und zweitens zum jetzt im Volltext verfügbaren Übersichtsartikel „Notfallkontrazeption – Wirkungsmechanismen“.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die zwei ethisch unterschiedlich zu bewertenden Formen des Wirkungsmechanismus, Konzeptionsverhütung und Nidationshemmung, aus theoretischen Gründen sich innerhalb eines Zyklus ausschließen und vom Zeitpunkt der Einnahme abhängen. Entfaltet die Pille-danach bei Einnahme im beschriebenen wirksamen Zeitfenster 1 bis 5 Tage vor dem Eisprung den als hauptsächlich angegebenen Wirkungsmechanismus einer Verhinderung oder Verzögerung des Eisprunges, kommt es naturgemäß zu keiner Befruchtung und demnach ist auch keine Nidationshemmung zu befürchten. Erfolgt die Einnahme jedoch später als einen Tag vor dem Eisprung, kann eine Konzeptionsverhütung nicht mehr greifen und eine Nidationshemmung ist nicht auszuschließen.
Vor 4 Tagen hatte ich bereits meine Zweifel angemeldet an der laut Berufsverband der Frauenärzte angeblich doch so eindeutig nicht nidationshemmenden Wirkung der Pille-danach (EC = emergency contraception). Auf einen käuflichen Erwerb der als einzige Quelle angegebenen Literaturübersichtsarbeit hatte ich verzichtet. Dank des Hinweises von kath.net konnte ich nun den Volltext einsehen. Die Autoren haben in dieser Übersichtsarbeit keine eigenen Untersuchungen angestellt, sondern das vorhandene Wissen über die Präparate zur Notfallkontrazeption dargestellt.
Der Übersichtsartikel „Notfallkontrazeption – Wirkungsmechanismen“ von K. Gemzell-Danielsson u. a.
In der Einführung wird zunächst darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeit der EC in Frage gestellt wurde und dass Maßnahmen zur Verbesserung der Verfügbarkeit von EC keine Senkung von Abtreibungsraten bewirkt haben. Dennoch habe man [wer? Anm. d. Verf.] erkannt, dass EC weltweit zuwenig eingesetzt werde. Der Einsatz der Pille-danach habe in vielen Ländern zu Kontroverse und Rechtsstreitigkeiten geführt. Eines der Haupthindernisse gegen einen großflächigen weltweiten Einsatz von EC sei fehlendes Wissen um die Wirkungsweise, besonders im Hinblick auf die Wirkung auf Endometrium (Gebärmutterschleimhaut) und Einnistung des Embryos im Endometrium. Ein verbessertes Wissen könne unter Anderem die individuelle und kulturelle Akzeptanz von EC verbessern. Soweit also zur Absicht der Autoren. Neben der Abtreibungspille Mifepriston und der nidationshemmend wirkenden Kupfer-Spirale werden als Notfallkontrazeption vor allem die Präparate Levonorgestrel (LNG) und Ulipristalacetat (UPA) bezeichnet.
Uns interessieren die auf den Seiten 3 bis 5 dargestellten Abschnitte 6. Effects on the fallopian tube and fertilization (dt. Wirkungen auf Eileiter und Befruchtung) und 7. Effect on endometrial receptivity and embryo implantation, (dt. Wirkung auf die endometriale Empfänglichkeit und Embryo-Implantation).
- Zu Abschnitt 6. (Eileiter und Befruchtung):
- Auf Seite 4 heißt es: When studied in vitro, exposure of human embryos to LNG at concentrations relevant for EC had no effect on embryo viability (dt. Bei Untersuchungen im Reagenzglas hatten für EC relevante Konzentrationen keine Auswirkung auf die Lebensfähigkeit menschlicher Embryos). Dabei wird auf diese gruselige, an menschlichen Embryonen durchgeführte Untersuchung von P. G. Lalitkumar, K. Gemzell-Danielsson (!) u. a. hingewiesen: 10 (59%) von 17 unbeeinflussten Embryonen hefteten sich im Reagenzglas an ein künstliches Endometriumkonstrukt, unter der Abtreibungspille Mifepristone jedoch 0 von 15 (0%) und unter LNG 6 (43%) von 14. Unter LNG konnten sich also ein Viertel weniger Embryonen anheften als in der unbeeinflussten Probe. Aufgrund der geringen Fallzahl konnte aber offenbar keine verallgemeinernde Aussage getroffen werden. In solchen Fällen ist es in der Wissenschaft üblich, die hier innerhalb des Experimentes festzustellende lebensfeindliche Tendenz von LNG als Hinweis zur Kenntnis zu nehmen und eine größere Studie mit höherer Fallzahl zu fordern, um möglicherweise eine statistisch gültige Aussage treffen zu können. Keinesfalls ist es zulässig, wie oben geschehen, den Umkehrschluss zu ziehen, dass LNG keine Auswirkung auf die Lebensfähigkeit menschlicher Embryonen habe. Eine Auswirkung konnte lediglich (möglicherweise aufgrund zu geringer Fallzahl) nicht nachgewiesen werden. Keinesfalls konnte sie ausgeschlossen werden. Eine dazugehörige Grafik findet sich unter Abschnitt 7. auf Seite 5.
- Zu UPA werden keine Aussagen gemacht.
- Zu Punkt 7. (Endometriale Empfänglichkeit und Embryoimplantation).
- Die gleiche eigene Arbeit wie oben wird hier nochmals zitiert und graphisch illustriert. Dabei wird die Aussage der Graphik durch eine entgegengesetzte Aussage konterkariert, welche auf einer unzulässigen Schlussfolgerung beruht: In contrast, LNG had no effect on blastocyst viability or hatching and did not prevent blastocyst attachment and early implantation.
- Hier wird jetzt auch eine Untersuchung zu UPA zitiert: Treatment with 10 to 100 mg UPA resulted in inhibition of down-regulation of PRs, reduced endometrial thickness and delayed histological maturation with the highest dose, while the effect of lower doses equivalent to the 30 mg used for EC was similar to that of placebo. Es wird also behauptet, dass nur eine Dosis von 100 mg UPA einen schädlichen Effekt gehabt habe. Was ist wahr? In dieser Studie erhielten die Probandinnen 1 bis 2 Tage nach LH-Anstieg und nach einem nachgewiesenen Eisprung UPA. Schon eine Dosis von 10 mg führte zu einer genauso großen Verminderung der Dicke des Endometriums wie eine Dosis von 100 mg. Man lese nach unter Results/Endometrium/Absatz 2. Unter Absatz 3 erfahren wir etwas über die Progesteron-Rezeptoren: 10 mg führten zu einer nicht signifikanten Verminderung (3,5), 50 mg zu einer signifikanten Verminderung (2,1) der anfärbbaren Progesteron-Rezeptoren. Auch hier werden Frau Gemzell-Danielsson u. a. durch die zugrunde liegende Untersuchung Lügen gestraft. Zudem liefert die Untersuchung keine tatsächlichen Daten zur Nidationshemmung, sondern nur zu Ersatzparametern wie Endometriumdicke und Progesteronrezeptoren. Eine Nidationshemmung kann in keiner Weise ausgeschlossen werden.
Fazit
- Der Berufsverband der Frauenärzte beruft sich offenbar auf eine anfechtbare und tendenziöse Übersichtsarbeit.
- Es bestätigt sich die Aussage von Simón Castellví, dass Kardinal Meisner ungenau informiert worden ist.
- Da die Pille-danach ab 1 Tag vor dem Eisprung bzw. ab dem Zyklus-Höhepunkt des LH-Spiegels keine signifikante Wirkung mehr habe, die Risiken einer Einnahme aber bestehen bleiben, sollte sie spätestens ab dem Eisprung schon aus medizischen Gründen nicht mehr eingesetzt werden dürfen.
- Da bei einem Einsatz der Pille-danach ab 1 Tag vor dem Eisprung bzw. ab dem Zyklus-Höhepunkt des LH-Spiegels eine verhütende Wirkung nicht mehr gegeben ist und damit die Gefahr einer Nidationshemmung sprich Abtreibung nicht ausgeschlossen werden kann, darf die Pille-danach spätestens ab dem Eisprung auch aus ethischen Gründen nicht mehr eingesetzt/verschrieben/abgegeben werden. Der LH-Gipfel kann laborchemisch identifiziert werden, ein ausstehender Eisprung kann von einem bereits stattgefundenen per Ultraschall unterschieden werden. Bei einem noch sprungbereiten Follikel und nur in diesem Zeitraum kann also der von Kardinal Meisner beschriebene Fall einer erlaubten Anwendung der Pille-danach bestehen.
- Demnach besteht im Falle einer Vergewaltigung derzeit kein Konflikt zwischen einem Wunsch nach Verschreibung der Pille-danach und den Verordnungsmöglichkeiten eines katholischen Krankenhauses. Allerdings müsste ein Arzt für einen Zeitpunkt nach dem LH-Gipfel über die Möglichkeit der aus katholischer Sicht abtreibend wirkenden Kupferspirale aufklären, die er aber nicht einsetzen darf. Also besteht hier das gleiche Dilemma wie bisher. Wird die NRW-Gesundheitsministerin von katholischen Krankenhäusern verlangen, die Spirale einzusetzen?