Die Begriffe „Homosexualität“ und „Heterosexualität“ habe ich in Anführungszeichen gesetzt, weil sie meist ohne saubere Definition gebraucht werden. Aus moralischer Sicht ist zu unterscheiden zwischen
- homo-/heteroerotischem Empfinden,
- homo-/heterointimen Genitalpraktiken und einer
- Selbstidentifizierung als „schwul“ oder „homosexuell“.
„Homosexualität“, Missbrauch und Statistik
Solange es keine Zahlen über den Anteil homoerotisch Veranlagter oder homointim Aktiver im Klerus vorliegen, können keine Schlüsse auf eine Überrepräsentation „Homosexueller“ unter Missbrauchstätern gezogen werden.
Möglicherweise beträgt der Anteil homoerotisch Empfindender am Klerus 80%. Dann würde die Geschlechtsverteilung der Opfer lediglich dieses Verhältnis widerspiegeln. Vielleicht ist der Anteil „Homosexueller“ im Klerus ja auch 90%, der „Heterosexueller“ 10%. Dann wären Letztere unter den Missbrauchstätern doppelt überrepräsentiert und man müsste sich fragen, ob „Heterosexualität“ Missbrauch begünstigt.
Davon abgesehen ist zu berücksichtigen, dass Missbrauchstäter in den USA ca. 1% des Klerus ausmachten, und zwar vor allem in den Jahren 1960 bis 1990. Nach dem Jahr 2000 ist dieser Anteil in den Bereich von unter einem Promille gesunken. Selbst wenn man von einer (wahrscheinlich realistischen) Zahl von circa 60% homoerotisch Empfindenden im Klerus ausgeht und diese damit unter den Missbrauchern leicht überrepräsentiert wären, hieße das, dass selbst zu Zeiten der „sexuellen Revolution“ 98,7% der homoerotisch tendierenden Priester nicht zu Missbrauchstätern geworden wären.
Und diese Zahl dürfte immer noch günstiger sein als die unter „heterosexuellen“ Laien.
Genausowenig, wie es angemessen ist, dem ehelos lebenden Priester schlechthin („der Zölibat ist schuld“) eine überdurchschnittliche Neigung zur sexuellen Übergriffigkeit gegenüber Abhängigen zu unterstellen, genausowenig ist es gerechtfertigt, dies grundsätzlich gegenüber Menschen mit einer homoerotischen Tendenz oder homointimen Praxis zu tun.
Man mag theologisch begründen, dass Männer mit tiefsitzenden homoerotischen Tendenzen eine Berufung zum Priestertum kritisch hinterfragen sollten, so zum Beispiel aufgrund des fehlenden Elementes des Verzichts (auf Ehe und Familie), nicht aber kriminologisch. Grundsätzlich sehe ich aber bei solchen Geistlichen weniger ein Problem als bei solchen, die sich eine Konkubine halten.
Moralische Korruption in der Kirche primär durch Unkeuschheit
Wesentliche Mitursache der gegenwärtigen Krise in der Kirche ist nämlich nicht der Anteil homoerotisch tendierender Priester, sondern der Anteil sexuell praktizierender, egal ob homo- oder heterosexuell, also unkeusch lebender. Solche Priester werden auf Dauer eine Doppelmoral praktizieren und schließlich die Lehre der Kirche nicht mehr vertreten.
Einschränkung: Wenn ein Priester feststellt, dass es ihm dauerhaft nicht gelingt, enthaltsam zu leben, scheint es allerdings so zu sein, dass „heterosexuelle“ Priester eher dazu neigen, das Priestertum zu verlassen – da die Partnerin nicht zum Klerus gehört -, während homointim aktive Priester leicht Zugang zu Ihresgleichen im Klerus finden, wie die Berichte von Netzwerken von Verführung, Abhängigkeit, gegenseitiger Deckung und Begünstigung zeigen.