Liturgische Missbräuche sind die Regel. Zumindest in den Kirchen des deutschen Sprachraumes, in welche es mich verschlägt. Dabei suche ich immer wieder andere katholische Kirchen auf, in der Hoffnung, doch noch irgendwo einen Zelebranten zu finden, dem es daran gelegen ist, getreu den Regeln der katholischen Kirche zu zelebrieren.
Nun unterscheidet die Kirche ja drei Schweregrade der liturgischen Missbräuche:
- die graviora delicta,
- die schwerwiegenden Angelegenheiten und
- die anderen Missbräuche.
Die schlimmsten Missbräuche, die graviora delicta sind z. B. solche Vergehen, bei denen jemand die Eucharistischen Gestalten absichtlich wegwirft oder eine Messsimulation oder die verbotene Konzelebration vornimmt. Habe ich zum Glück noch nie erleben müssen, auch wenn sich vor Jahren schon einmal eine protestantische Pfarrerin während des Hochgebetes sitzend im Presbyterium (Chorraum) aufhielt. Ein Vertreter der Bistumsleitung war damals anwesend.
Die „am wenigsten schwerwiegenden anderen Missbräuche sind das, was wir Katholiken in der Regel in jeder Heiligen Messe ertragen müssen. Also zum Beispiel das Verschweigen der Gottheit Christi an der einzig vorgeschriebenen Stelle der Liturgie – in der Schlussformel des Tagesgebets – und deren Ersetzung durch unseren Bruder und Herrn. Oder die Beschneidung des Wortes Gottes wie das Ersetzen des Antwortpsalms durch ein beliebiges Lied. Oder das Weglassen der 2. Lesung am Sonntag. Oder das Ersetzen von Gloria, Sanctus, Agnus dei durch ein beliebiges, nicht approbiertes Lied. Oder die kreativen Hinzufügungen zum Hochgebet, besonders bezüglich derer, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind. Oder das Tragen der Stola über dem Messgewand oder gleich der Verzicht auf das Messgewand. Oder die Beschädigung der Vorrangstellung des Priesters durch gleichzeitige Kommunion mit Laien. Oder gar die Kommunion des Priesters nach der Kommunion der Gläubigen. Oder der Verzicht auf die Kommunionpatene. Ist alles nachzulesen in der Instruktion Redemptionis sacramentum (RS). Oder… oder… oder…
An all das habe ich mich ja schon gewöhnt. An was ich mich aber noch nicht gewöhnt habe, sind die mir in den letzten 12 Monaten gehäuft begegnenden schwerwiegenden Angelegenheiten. Zu diesen sind nach RS objektiv immer jene zu rechnen, die die Gültigkeit und die Würde der heiligsten Eucharistie in Gefahr bringen. Unter Absatz 173 sind diese aufgeführt.
- Gültigkeit der Materie (RS 50). Dieses Jahr wohnte ich einer Erstkommunionfeier bei, in der Traubensaft statt Wein konsekriert wurde. Wer sich über die gültige Materie für die Feier der Eucharistie erkundigen möchte, möge dies an anderer Stelle tun. Als ich jedenfalls dem Priester im Anschluss an die Heilige Messe meine Zweifel über die Gültigkeit der Materie und damit der Wandlung mitteilte, gab er mir keine Antwort, die eine Befolgung der Vorschriften für die gültige Materie hätte erkennen lassen. Fazit: Es ist davon auszugehen, dass der Priester bei der Reichung des Kelches an die Kommunikanten mit den Worten das Blut Christi die Unwahrheit gesagt hat. Das Gleiche habe ich bereits vor Jahren bei einem anderen Priester aus einem anderen Bistum erlebt, welcher aber inzwischen den priesterlichen Dienst quittiert hat, um eine Zivilehe einzugehen. Laut einer Mitteilung aus den Kreisen des Klerus kommen solche Praktiken angeblich öfter vor.
- Intinktion (RS 104). Es ist dem Kommunikanten nicht erlaubt, selbst die Hostie in den Kelch einzutauchen. Dies habe ich dieses Jahr in einer hl. Messe in der Schweiz erlebt, letztes Jahr in Norddeutschland, damals sogar unter den Augen des Generalvikars. Als ich diesen um ein paar Minuten des Gesprächs bat, hatte er leider keine Zeit.
- Konsekration in Glaskanne und Umschütten des konsekrierten Weines (RS 106). Diese Praxis konnte ich dieses Jahr an zwei Tagen hintereinander in einem norddeutschen Frauenkloster bei zwei verschiedenen auswärtigen Zelebranten beobachten. Als ich am zweiten Tag den Priester darauf ansprach, antwortete er, dass dies in diesem Kloster so üblich sei und auf ausdrücklichen Wunsch des Konventes geschehe. Am nächsten Tag sprach ich eine Schwester dieses Konventes darauf an und erfuhr, dass tatsächlich diese Praxis als auch die von einer Schwester praktizierte Intinktion im Wissen um entgegenstehende Rubriken vom Konvent so gewollt sei. Die Praxis sei angeblich mit dem Weihbischof so abgestimmt.
Mag sein, dass jemand, insbesondere, wenn er durch protestantisches Umfeld geprägt ist, diese Dinge für Lappalien hält. Die römisch-katholische Kirche hält aber die Eucharistie für ein so großes und wertvolles Geschenk und Geheimnis, dass damit nur in großem Ernst zu verfahren ist. Immerhin hält sie diese Verstöße für so gravierend, dass es von den schwerwiegenden Angelegenheiten heißt, dass der Bischof bei solchen Verstößen die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung benachrichtigen soll (RS 180).