Ganz einfach: Und führe uns nicht in Versuchung…

Es ist ganz einfach: man muss lediglich sauber unterscheiden zwischen 1. jemanden in Versuchung führen und 2. jemanden versuchen. Die Ausdrücke klingen zwar ähnlich, beschreiben aber zwei grundverschiedene Sachverhalte. Der Bibeltext unterscheidet (vergleiche die im folgenden zitierten Stellen in der Interlinearübersetzung NT) zwischen den beiden Ausdrucksformen; etliche Übersetzungen (einschließlich Einheitsübersetzung), Exegeten, Bischöfe und Papst (siehe Links beim Kreuzknappen, welcher letztlich auch diesen Artikel bei mir induziert hat) tun das leider nicht; am besten sind in dieser Hinsicht noch Elberfelder und Menge-, auch Luther-Bibel.

Immer wieder stößt man auf Stellen, an denen im griechischen Text versucht werden steht, der Übersetzer/Exeget/Bischof aber in Versuchung geführt werden zitiert, nur weil versucht werden als altertümliche Ausdrucksweise empfunden wird, was zur Verwirrung beiträgt.

Auf dem Boden dieser Verwirrung, welche die biblischen Beschreibungen des Handelns Gottes und Satans nicht mehr unterscheiden kann, sind das Ansinnen der französischen Bischöfe und mehr noch des Papstes zu sehen, die Vaterunser-Bitte an Gott den Vater und Richter mehr oder weniger zu neutralisieren. Sie verwerfen die landessprachlich – korrekte – Übersetzung der Vater-Unser-Bitte Und führe uns nicht in Versuchung, identisch mit der seit 1700 Jahren – doch wohl unter dem Einfluss des Hl. Geistes – benutzten, lateinischen Ausdrucksweise et ne nos inducas in tentationem. So kann es soweit kommen, dass der Papst einen Ausdruck, den man wohlverstanden als ein Gott dem Richter zustehendes Handeln bezeichnen kann, dem Widersacher zuordnet: „Wer dich in Versuchung führt, ist Satan“.  Doch noch einmal im Einzelnen:

  • Jemanden in Versuchung (altgr. peirasmos/πειρασμὸς) führen sollte genauer ausgedrückt werden als an den Ort oder hinein in die Situation der Versuchung führen und meint soviel wie auf die Probe stellen oder einer Prüfung unterziehen. Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder selbständig werden, dass sie sich im Leben bewähren und darum werden sie nicht alle Herausforderungen von ihnen fernhalten. Qualifikation kommt nicht ohne Prüfung aus. Liebe fördert nicht nur, sie fordert auch (heraus). In diesem Sinne ist das eindeutige biblische Zeugnis zu verstehen, wenn Gott Adam und Eva (Genesis 2,15-17), Hiob, Abraham, seinen eingeborenen Sohn (Mk 1,12) oder uns (Jak 1,2-4) auf die Probe stellt oder wenn gar der Gerechte in Psalm 26,2 darum bittet, von Gott erprobt zu werden. Gott traut uns etwas zu. Zum Begriff vergleiche auch Exodus 17,7/Psalm 95. Die Septuaginta übersetzt hebr. Massa mit πειρασμὸς/peirasmos. In der Einheitsübersetzung heißt es an dieser Stelle, die Israeliten hätten den Herrn auf die Probe gestellt.
  • Jemanden versuchen (in der Verbform), altgr. peiráo, bedeutet im biblischen Kontext soviel wie: zum Bösen zu verführen suchen. In diesem Sinne sind Hebr 2,18 und 4,15 zu verstehen. So etwas würde Gott niemals tun (Jak 1,13), weil es seinem Wesen widerspricht; der Satan tut so etwas (Gen 3Mk 1,13 par) bzw. es geschieht durch die eigene Begierde (Jak 1,14).

Versucht werden ist ein Leiden oder eine Last, wie Hebr 2,18 (ähnlich nur die Übersetzung von Menge) sehr schön darstellt, wenn man es nur wörtlich übersetzt: Da er selbst (Christus) erlitten (oder ertragen) hat, versucht zu werden, kann er denen helfen, die versucht werden.

 

Den himmlischen Vater zu bitten, uns nicht auf die Probe zu stellen, bedeutet…

  • Gott als Richter anzuerkennen und sein grundsätzliches Recht, uns auf die Probe zu stellen,
  • anzuerkennen, schwach zu sein, mit der Gefahr, der Versuchung zu erliegen,
  • um die Möglichkeit zu wissen, dass Gott darauf verzichten kann, uns zu prüfen,
  • die kindliche Hoffnung zu entwickeln, dass der himmlische Vater dies auf unsere Bitte hin auch tut, gerade auch deswegen, weil der Sohn Gottes auch jenes Leiden, das darin besteht, versucht zu werden, stellvertretend für uns auf sich genommen hat.

Man beachte, dass die 6. und die 7. Vaterunser-Bitte (erlöse uns von dem Bösen) in einem NICHT-SONDERN-Zusammenhang stehen, so, als ob es sich um eine Alternative handelt. Man könnte die beiden Bitten auch als hoffnungsfrohe Bitte an Gott, den Richter, verstehen: Lass Gnade (…erlöse uns…) vor Recht (… uns auf die Probe zu stellen) ergehen.

Bisher hieß es auf französisch sinngemäß: Unterwirf uns nicht der Versuchung. In Zukunft soll es heißen: Lass uns nicht eintreten in die Versuchung. Mit dieser Übersetzung wird der aktive Part Gottes, welcher uns herausfordert, eliminiert. Die Bischöfe Voderholzer und Kohlgraf sowie die Neutestamentler Prof. Thomas Söding und Prof. Marlis Gielen haben dies mit Recht kritisiert sowie das Ansinnen, auch in der deutschen Version anders zu übersetzen, zurückgewiesen. Man mag es drehen und wenden, der Herr hat es so gesagt, und in dieser Ausdrucksweise scheint nun mal durch, dass Gott auch Richter ist. Will der Papst auch in diesem Fall „barmherziger“/netter/weniger fordernd/christlicher als Christus sein?

Wie wär’s, wenn einfach sauber übersetzt wird?

Führe uns nicht in Versuchung ist korrekt, muss aber erläuternd abgegrenzt werden zu Versuche uns nicht.

Stelle uns nicht auf die Probe ist auch korrekt, passt aber manchem nicht ins Gottesbild.

ERGÄNZUNG: Siehe auch den kath.net-Artikel samt zahlreichen Kommentaren zum Thema. Zu danken ist Kommentator JuergenPb für den Hinweis auf 1. Kor 10,13.

Letzte Aktualisierung dieses Artikels: 14.12.2017, 20 Uhr

 

2 Gedanken zu „Ganz einfach: Und führe uns nicht in Versuchung…“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert