Die Zumutung der Unauflöslichkeit II

Theodor von summa summarum hat die von Alipius angeregte Diskussion über den Umgang der Kirche mit der vom Herrn vorgegebenen Unauflöslichkeit der Ehe aufgegriffen. Zunächst beschreibt er das Problem der Simulation einer „Volkskirche“. Diesen Sachverhalt werde ich später in einem separaten Posting aufgreifen. Danach kommt er zum Kern des Themas und fragt: „Welche Möglichkeit hat die Kirche, Menschen, die ernsthaft kirchlich leben wollen nachdem sie eine zweite Ehe eingegangen sind, zu helfen?“ und antwortet: „Auf der Grundlage der kirchlichen Sakramentenlehre ist dies eigentlich nicht möglich.“

„Barmherzigkeit gegenüber ‚wiederverheirateten‘ Geschiedenen“

Aus der Antwort schließe ich, dass Theodor mit „helfen“ nicht irgendeine Form der pastoralen Zuwendung, sondern eine kirchenrechtliche Normalisierung meint. Vor solchem kurzschlüssigen Sprachgebrauch, wie er auch in der Rede von der sogenannten „Barmherzigkeit gegenüber ‚wiederverheirateten‘ Geschiedenen“ aufscheint, möchte ich warnen. Es ist hier nämlich nicht nur zu bemängeln, das die Kategorie der menschlichen Zuwendung mit der Kategorie moralischer oder kirchenrechtlicher Normen unzulässig verquickt wird, sondern erst recht, dass damit dem Argumentationsgegner eine „unbarmherzige“ Haltung unterschoben wird. Genauso absurd wäre es, dem Staat Unbarmherzigkeit vorzuwerfen, wenn jemanden bei Übertreten staatlicher Gesetze die vorgesehenen Sanktionen treffen. Barmherzigkeit gegenüber sanktionierten Personen kann nur heißen, dem Betreffenden zu helfen, die Last der Sanktionen zu tragen, den Betreffenden meinetwegen im Gefängnis zu besuchen, nicht aber, an sich sinnvolle Regeln abzuschaffen.

Öffentlicher Ehebruch

Sehr wichtig und hilfreich fand ich dann aber den Hinweis von Theodor, dass es mit einer „Josefsehe“ deshalb nicht getan sein kann, weil „eine zivile Wiederverheiratung ein öffentlicher Akt der Ablehnung der kirchlichen Ehelehre ist“. Wenn ein Paar also eine Zivilehe eingeht, anstatt nur unverheiratet ein eheähnliches Verhältnis zu haben, wird nach kirchlicher Lehre aus dem verborgenen Ehebruch ein öffentlicher Ehebruch. Für das öffentliche Handeln der Kirche heißt dies aber, das zwar bei unverheiratet Zusammenlebenden aus Gründen der wohlwollendsten Annahme ein keusches Verhalten vorausgesetzt werden muss, im Falle einer Zivilehe dies aber nicht mehr möglich ist, so dass an den vorgesehenen Sanktionen kein Weg vorbei geht.

Öffentliche Josefsehe

Weiter unten fügt Theodor hinzu, „dass der ‚Josephsehe‘ von der Kirche eine öffentliche Form gegeben werden müsste, um die oben angesprochene öffentliche Abkehr von der Kirche durch die zivile Wiederverheiratung aufzuheben.“ Diesen von Theodor bescheiden als Randbemerkung bezeichneten Vorschlag halte ich ich für außerordentlich wichtig. Ein solcher Akt der öffentlichen Erklärung, unter Verzicht auf den ehelichen Akt miteinander leben zu wollen, wäre ein großartiges Zeugnis. Im Falle einer geschehenen Zivilheirat bei schon bestehender sakramentaler Ehe eines der Partner könnte ein Ausdruck der Relativierung dieser Zivilehe und eine Erklärung des Respektes vor dem weiterhin bestehenden sakramentalen Eheband hinzutreten.

„Realismus“

Leider verwirft Theodor diesen Ansatz aus Gründen des „Realismus“. Er geht davon aus, dass ein Verzicht auf ehelichen Verkehr zwischen zwei Menschen, die von großer romantischer Zuneigung ergriffen sind, nicht lebbar sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass genau ein solches Verhalten schon immer von Verlobten gefordert wurde. Und es wurde schon immer als normal und nicht als „Sonderfall besonderer Heiligkeit“ angesehen. Wenn dann die katholische Pastoral ins Feld geführt wird, wird der im vorletzten Absatz von mir kritisierte Kategorienfehler erneut begangen, nämlich moralische Normen nach vermeintlichen pastoralen Bedürfnissen auszurichten. Es ist auch nicht richtig, „dass die Kirche gelernt hat, die Sexualität in der Ehe nicht nur als pflichtgemässe Regelung der zur Unordnung neigenden Triebhaftigkeit zu sehen, sondern als echten Wert.“ Wenn ich mich richtig erinnere, ist „die Sexualität in der Ehe … als pflichtgemässe Regelung der zur Unordnung neigenden Triebhaftigkeit“ das protestantische Konzept der Ehe als „weltlich Ding“. Da ist Einiges durcheinandergeraten. Wenn wir „pflichtgemässe Regelung der … Triebhaftigkeit“ durch „Notwendigkeit zur Erzeugung von Nachkommenschaft“ und „Sexualität in der Ehe“ durch „Befriedigung durch Sexualität“ ersetzen, kommen wir der Sache näher.

Wer es fassen kann, der fasse es

Dass katholische Moral die Moral des Herrn Jesus Christus eine „unrealistische“ Zumutung ist, habe ich vor 8 Tagen betont. Der Herr entlässt uns nicht aus der Spannung zwischen der Berufung zur Vollkommenheit und unserer sündhaften Schwäche. Katholische Pastoral weiß um beides.

Die gegenwärtige Situation einer „Simulation von ‚Volkskirche‘“ (großartiger Ausdruck!), in der oftmals beides verschwiegen wird, ist dann nochmal einen eigenen Artikel wert.

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