„Wieviel Martin Luther steckt in Ihnen?“ Auf die Frage der Moderatorin antwortete Msgr. Schüller, der ehemalige Generalvikar der Erzdiözese Wien und jetzige Pfarrer: „Ich glaube, in jedem von uns steckt ein Stückchen Martin Luther, insofern es ja die Pflicht jeden Getauften ist, sich Gedanken zu machen über die Kirche. Die Getauften sind keine Kundschaft, die zuschaut, sondern jeder muss sich Gedanken machen und daher muss jeder auch einbringen, was er denkt, das notwendig ist; und es immer lustig verändert worden, sonst würde der Herr Weihbischof weiter hier im Museumsquartier auf einem Eselsfohlen eingeritten sein. Er ist wahrscheinlich mit modernen Verkehrsmitteln gekommen. Er würde aramäisch sprechen zu uns, er spricht aber deutsch, Gott sei Dank verstehen wir ihn gut. Die Gottesdienste sind aus den Häusern ausgewandert, sind mittlerweile in Kathedralen teilweise, etwas, was man zu bestimmten Zeiten besser gefunden hatte. Ich will nur sagen, es ist ja, seit es die Kirche gibt, hat sie angefangen, sich zu verändern, seither.“ (Eigene nicht autorisierte Mitschrift aus der unten verlinkten Fernsehsendung)
Die Moderatorin Manuela Raidl hatte in der Sendung „Pro und Contra – Der AustriaNews Talk“ des österreichischen Fernsehsenders „Puls 4 Austria“ zunächst Martin Luther über den grünen Klee gelobt, um aus dem Gefragten eine möglichst sensationelle Antwort herauszukitzeln. Bei Minute 10:00 stellte sie sozusagen die Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit der Rebellion? Nur dies konnte sie gemeint haben mit ihrer Frage „Wieviel Martin Luther steckt in Ihnen?“
Schließlich war genau das das Thema der Sendung: „Rebellion gegen Rom – können 300 österreichische Pfarrer die Kirche verändern?“
„Wieviel Martin Luther steckt in Ihnen?“ mag aus protestantischer Sicht noch sympathisch nach Reformation (deutsch: Zurückbildung) klingen. Aus katholischem Empfinden klingt da aber etwas Anderes an: Kirchenspaltung, Hass auf den Stellvertreter Christi auf Erden, Hass auf die Hl. Messe, nach den eigenen Worten Martin Luthers gar Hass auf Gott.
Wie ist das für mich unerwartete Bekenntnis Schüllers „Ich glaube, in jedem von uns steckt ein Stückchen Martin Luther,[…]“ gemeint? Sicher nicht in dem Sinne, dass wir alle kleine Sünderlein seien. Auf die sehr persönliche, direkte Frage der Moderatorin nach des Pudels Kern antwortet Schüller zwar ausweichend, aber deutlich genug, indem er das Rebellische, nach dem ja hier gefragt war, zur Natur des Menschen erklärt, damit exculpiert und damit sein eigenes rebellisches Handeln rechtfertigt.
Im gleichen Augenblick, da er dies ausgesprochen hatte, wurde ihm offenbar seine zwar versteckte und dennoch ungeheuerliche Aussage bewusst. Anders lässt es sich mir nicht erklären, dass er augenblicklich in weitschweifigen Erklärungen versucht, sein Martin-Luther-Sein auf eine dermaßen banale Ebene zu holen, dass siie ans Lächerliche grenzt.
Das Projekt des Dr. Martin Luther „Wie bekomme ich einen gnädigen“ [also mir genehmen] „Gott?“ feiert fröhliche Urständ in dem Projekt „Wie bekomme ich eine mir genehme Kirche?“. Den steinigen Weg einer Neugründung will Schüller aber ebenso wenig wie Luther gehen. Wird Msgr. Schüller Erfolg haben? Die Courage von Luther scheint er nicht zu haben. Der Rest hängt – damals wie heute – am Staatskirchentum.
Dank an Johannes für den Link zur Fernsehsendung.