Der auf der Webseite des Bistums Mainz veröffentlichte Gastkommentar von Kardinal Lehmann in der Kirchenzeitung „Glaube und Leben“ zum Ergebnis der Pfarrgemeinderatswahlen im Bistum Mainz trägt doch tatsächlich die Überschrift „Ermutigendes Signal: zum Ergebnis der PGR-Wahlen“.
Wörtlich schreibt Kardinal Lehmann:
Was mich am meisten freut, ist die sicher noch zu verbessernde, aber auch bei geringfügigem Schwund relativ konstante Wahlbeteiligung. Dies ist gerade in der jetzigen Situation nicht selbstverständlich. Im gesellschaftlich-politischen Bereich geht die Wahlbeteiligung seit Jahren bedenklich zurück. Man hat auch befürchtet, dass die krisenhaften Ereignisse der letzten Jahre in der Kirche zu mehr Desinteresse führen würden. Heute dürfen wir dankbar feststellen, dass dies alles – jedenfalls bei den Wahlen – keine größeren Spuren hinterlassen hat.
Er endet mit den Worten:
Insgesamt sind die Wahlen ein verlässliches Zeichen der Hoffnung und der Treue zur Kirche. Dies kann allen Mut geben.
Schon nach der Wahl 2007 hieß es:
Trotz eines leichten Rückgangs bei der Wahlbeteiligung hat sich der Bischof von Mainz, Kardinal Karl Lehmann, zufrieden mit den Ergebnissen der Pfarrgemeinderatswahlen im Bistum Mainz gezeigt.
Nachdem mir diese optimistische Sicht spontan etwas fragwürdig vorkam, habe ich die auf der Webseite des Bistums Mainz zugänglichen Zahlen zusammengestellt und graphisch aufbereitet. Dabei musste ich die Wahlberechtigten und Wähler der Jahre 1999 und 2003 aufgrund des Trends der letzten 2 PGR-Wahlen schätzen, ebenso die Wahlbeteiligung des Jahres 1999, da diese Zahlen auf der Webseite nicht zugänglich sind.
Der in den Bistumsnachrichten hervorgehobene prozentuale Anstieg der Briefwähler ist bei Umrechnung in die absoluten Zahlen zu vernachlässigen, da die Zahl der Wähler insgesamt im gleichen Maß gesunken ist. Was dagegen in meinen Augen wesentlich bedeutender ist, ist die starke Abnahme jener Wähler, die ihre Stimme persönlich im Wahllokal, also in der Regel vor oder nach dem Messbesuch abgaben. Doch zunächst die gleiche Graphik, ergänzt um eine Schätzung, die den gegenwärtigen Trend für die nächsten Jahre fortschreibt.
Brisant wird die Statistik, wenn man davon ausgeht, das das unterschiedliche Wahlverhalten auch eine unterschiedliche Kirchenbindung repräsentiert.
- So werden unter den Nichtwählern am ehesten jene Katholiken zu finden sein, die zwar noch die Dienste der Kirche zu den Lebenswenden (Begräbnis, Hochzeit, Taufe, Erstkommunion) in Anspruch nehmen, vielleicht auch noch zu Weihnachten eine Krippenfeier besuchen, ansonsten aber die Sonntagspflicht nicht achten und am Leben der Pfarrgemeinde nicht teilhaben.
- Dagegen sind unter den persönlich anwesend Wählenden am ehesten jene Gläubigen zu finden, die regelmäßig die Sonntagsmesse besuchen und aktiv das Gemeindeleben tragen.
- Die Briefwähler stellen jene Katholiken dar, die eine höhere Kirchenbindung als die Nichtwähler aufweisen, aber wegen Gebrechlichkeit oder aus anderen Gründen ihre Wahl nicht mit einem Kirchenbesuch verbinden.
Was mich stark beunruhigt, ist die Tatsache, dass bei Annahme eines sich fortsetzenden Trends schon in 13 Jahren der Anteil der persönlich die Stimme Abgebenden völlig abgeschmolzen sein wird. Hier ist noch einmal die Zahl der anwesend Wählenden herausgegriffen dargestellt:
Das Leben der sich in der Sonntagsmesse versammelnden, aus gläubigen und ehrenamtlich aktiven Mitgliedern bestehenden Gemeinden wird in den nächsten Jahren völlig zusammenbrechen. Damit wird der jetzt schon spärliche Priesternachwuchs vollends verschwinden. Den noch vorhandenen Priestern wird die wenig befriedigende Aufgabe bleiben, Dienste lediglich für solche Menschen zu erbringen, denen die Gebote Gottes und der Glaube der Kirche wenig bedeuten. Das Konzept einer Kirche, die aus immer noch verhältnismäßig reichhaltig fließenden Steuermitteln zu den Lebenswenden (religiöse) Dienste durch bezahlte Mitarbeiter bietet, wird dagegen noch viele Jahrzehnte durchhalten.
Oder anders ausgedrückt: Die Kirche von Mainz als soziologisches Gebilde schmilzt nicht so sehr von den Rändern her. Der lebendige Kern stirbt ab, die Institution bleibt vorläufig noch.
Der Letzte macht das Licht aus. In 13 Jahren.