Tötung einer Alzheimer-Patientin in den Niederlanden

Das Nachrichtenportal kath.net berichtete über einen Artikel im Deutschen Ärzteblatt. Hier heißt es, in den Niederlanden sei für eine 64-jährige Patientin mit fortgeschrittener Alzheimer-Erkrankung „Sterbehilfe“ geleistet worden. Das heißt, sie wurde getötet.Weiter heißt es in dem Artikel, die sogenannte Sterbehilfe sei in den Niederlanden „allerdings nur dann erlaubt, wenn der Patient den Antrag dafür bei vollem Bewusstsein stellt und unter einer unheilbaren Krankheit und unerträglichen Schmerzen leidet. Jeder Fall muss einzeln von einer Kommission geprüft und genehmigt werden.“

Nun ist eine Forderung nach vollem Bewusstsein Unsinn, da für solch weitreichende Entscheidungen nicht das Vorliegen von Bewusstsein, sondern von Urteilsfähigkeit erfoderlich ist. So ist ja auch ein Kleinkind bei vollem Bewusstsein, nicht aber in jeder Hinsicht urteilsfähig. Überprüft man nun die Aussagen des Ärzteblattartikels am tatsächlichen Gesetzestext, wie er auf Deutsch in einer Übersetzung der Katholischen Nachrichtenagentur vorliegt, stellt man fest, dass das Deutsche Ärzteblatt hier tatsächlich eine miserable medizinjournalistische Leistung vorgelegt hat. Es ist im Gesetzestext nämlich auch nicht von unerträglichen Schmerzen, sondern von unerträglichem Leiden die Rede. Leiden kann nämlich durchaus schmerzlos sein. Ein Auszug aus dem niederländischen Gesetzestext:

KAPITEL II. SORGFALTSKRITERIEN

Artikel 2

1. Die Sorgfaltskriterien im Sinne von Artikel 293, Absatz 2 Strafgesetzbuch beinhalten, dass der Arzt:

a. zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Patient freiwillig und nach reiflicher Überlegung um Sterbehilfe gebeten hat,

b. zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Zustand des Patienten aussichtslos und sein Leiden unerträglich war,

c. den Patienten über seinen Zustand und dessen Aussichten informiert hat,

d. mit dem Patienten zu der Überzeugung gelangt ist, dass es in dem Stadium, in dem sich der Patient befand, keine angemessene andere Lösung gab,

e. +f. …

2. Wenn ein Patient von 16 Jahren oder älter nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern, jedoch in einem früheren Zustand, als davon ausgegangen werden konnte, dass er zu einer angemessenen Einschätzung seiner diesbezüglichen Belange in der Lage war, eine schriftliche Erklärung mit der Bitte um Lebensbeendigung abgelegt hat, kann der Arzt dieser Bitte nachkommen. Die Sorgfaltskriterien im Sinne von Absatz 1 gelten entsprechend.

Zum „unerträglichen Leiden“

Ein Alzheimer-Patient leidet an sich nicht unerträglich, sondern ist bei ordentlicher Pflege normalerweise zufrieden und bei liebevoller Zuwendung sogar glücklich. Die Krankheitslast trägt bei dieser Erkrankung nicht der Patient, sondern die Mitwelt. Dementsprechend entspringt die Bereitschaft, für den Fall einer Demenz sich töten zu lassen, nicht der Angst vor unerträglichem Leiden, sondern der Angst, den Angehörigen zur Last zu fallen, oder gar dem Stolz, nicht hilfebedürftig sein zu wollen, selbst wenn das in der Demenz überhaupt nicht empfunden wird.

Zu „reiflicher Überlegung“, „Informierung des Patienten“ und „mit dem Patienten zur Überzeugung gelangt“

Es ist mir schleierhaft, wie ein demenzkranker Patient diese Kriterien erfüllen kann, selbst wenn es sich nur um eine leichte Demenz handelt. Demgemäß ist die in der Vergangenheit offenbar schon regelmäßig zur Anwendung gekommene Genehmigung einer Patiententötung bei leicht dement Kranken eine Aufweichung des Willens des Gesetzgebers. Jetzt erlaubte selbst bei an schwerer Demenz Erkrankten eine Genehmigungskommission unter angeblichem Rückgriff auf Absatz 2 die Tötung, und das, obwohl keine schriftliche Erklärung vorlag. Weiterhin ist regelmäßig zu bezweifeln, dass ein Patient normalerweise zu einer „angemessenen Einschätzung seiner diesbezüglichen Belange in der Lage“ ist, da davon auszugehen ist, das Patienten das subjektive Leiden eines Alzheimer-Kranken landläufig maßlos überschätzen.

Fazit: Wie Dominosteine kippt eine Hürde nach der anderen, die aufgestellt wurde, um das Menschenrecht auf Leben zu gewährleisten. Und das niederländische Gesetz, das eine begrenzte Patiententötung straffrei stellen wollte, ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben wurde.

Und gerade bei Demenzkranken ist das Leiden und die Last an der Erkrankung in vielfach höherem Maße auf Seiten der Angehörigen und der Gesellschaft. So ist das sarkastische geflügelte Wort vom „sozial verträglichen Ableben“ bittere Realität geworden.

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