Vatileaks IV – Interview mit Erzbischof Angelo Becciu

Gestern erschien im Osservatore romano ein aufschlussreiches Interview mit dem Substituten des Staatssekretariates (so etwas wie der Innenminister des Vatikan), Erzbischof Angelo Becciu. Seine Aussagen entsprechen in ihrem Duktus denen des Hl. Vaters:

Erzbischof Becciu wählt in diesem Zusammenhang vorsichtig die Worte, um »den positiven Ausgang« der Untersuchungen hervorzuheben, wenngleich es ein bitterer Ausgang ist. Zwar seien die Reaktionen in aller Welt einerseits gerechtfertigt, andererseits jedoch »herrscht Sorge und Trauer über die Art der Berichterstattung. Sie entfesselt Phantasien, die der Wirklichkeit in keiner Weise entsprechen«.

Was empfindet der Papst gegenüber Paolo Gabriele?

Natürlich hat der Papst vor allem Mitleid mit der betreffenden Person.

Besonders schwerwiegend ist aber für den Papst, dass das Vertrauen derer, die sich schriftlich an ihn gewendet haben, verletzt wurde.

Daher ist der Papst besonders schmerzlich berührt, auch wegen der Gewalt, die den Schreibern der Briefe oder der an ihn gerichteten Schriftstücke angetan wurde.

Wegen des besonderen Amtes des Papstes grenzt die Veröffentlichung der an ihn gerichteten Korrespondenz in ihrer Schwere an die Verletzung des Beichtgeheimnisses:

Wenn ein Katholik mit dem Papst in Rom spricht, dann hat er die Pflicht, sich so zu öffnen als stünde er Gott gegenüber, auch weil er sich durch absolute Diskretion geschützt fühlt.

Zu den Rechtfertigungsversuchen der Veröffentlichung durch Gianluigi Nuzzi im Namen der Transparenz sagt der Erzbischof:

Es kann keine Erneuerung geben unter Mißachtung des sittlichen Gesetzes, womöglich aufgrund des Prinzips, daß der Zweck die Mittel heiligt. Das ist jedoch kein christliches Prinzip.

Gewandt an die Journalisten:

Sie sollten den Mut haben, sich von der Initiative eines Kollegen, die ich rundheraus als kriminell bezeichnen möchte, deutlich zu distanzieren.

Ich meine, das ist eine klare Ansage gegenüber Äußerungen wie der von Ludwig Ring-Eifel, die ich in meinem Artikel von gestern kritisierte. Zum vermeintlichen Wert von Transparenz am falschen Platz hat sich gestern übrigens auch Josef Bordat geäußert.

Desweiteren widerlegt nach Ansicht des Erzbischofs das Buch von Nuzzi gerade das Bild, das von vielen Medien von der Kirche gezeichnet wird, und erläutert auch den christlichen Gehorsamsbegriff.

Viele der veröffentlichten Dokumente offenbaren nicht Kampf oder Rache, sondern jene Gedankenfreiheit, von der man andererseits der Kirche vorwirft, sie würde sie nicht zulassen.

Sein persönliches Zeugnis gegen die Mär vom Vatikan als einem intriganten Haufen:

In diesem Umfeld nehme ich das nicht wahr, und es tut mir leid, daß man vom Vatikan ein so verzerrtes Bild hat. Aber das sollte uns zum Nachdenken bringen und uns alle anspornen, uns bis zum Äußersten zu bemühen, ein stärker vom Evangelium geprägtes Leben durchscheinen zu lassen.

Er endet mit einem Bild, das der Hl. Vater vor kurzem verwendet hat:

Der Wind fährt auf das Haus nieder, aber es stürzt nicht ein. Der Herr stützt es, und es wird keine Stürme geben, die es zum Einsturz bringen können.

Quelle: Osservatore Romano

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