Vatileaks VII – die Persönlichkeit des Paolo Gabriele

Nach Erscheinen des Vatileaks-Buches Sua santitá auf deutsch – Seine Heiligkeit. Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Benedikt XVI. – führte Joachim Frank ein Interview mit dem Herausgeber Gianluigi, welches gestern beim Kölner Stadt-Anzeiger online erschienen ist. Heute hat Armin Schwibach bei kath.net einen Artikel zu den Vorgängen verfasst, wie schon zuvor vor 3 Wochen. Ebenfalls am 14.8. titelte Paul Badde Hat Papst-Vertrauter „nicht alle Tassen im Schrank”?

Am 13.8. hatte der zuständige Untersuchungsrichter den Bericht der vatikanischen Gendarmerie zum aktuellen Stand der Ermittlungen im Fall Paolo Gabriele veröffentlicht. Nachdem Gabriele gestanden hatte, dass er der „Rabe“ gewesen sei, der jenes Interview gegeben hatte, das am 23.2.2012 anonymisiert ausgestrahlt wurde, interessierte mich, durch dieses Interview einen persönlichen Eindruck von jenem Mann zu bekommen, der den Hl. Vater verraten hat.

Meine Italienisch-Kenntnisse sind zwar nur marginal, aufgrund der Untertitel ließ sich aber mit Hilfe eines Übersetzungs-Tools ein Eindruck vom Inhalt der Aussagen gewinnen.

Mir fiel auf, das er gleich zwei mal den Fall Emilia Orlando erwähnte, welche übrigens ungefähr das gleiche Alter wie er hatte. Armin Schwibach hatte heute darauf hingewiesen, dass die Mutter von Emilia die Nachbarin von Familie Gabriele sei. Gabriele sprach von seiner Wut darüber, dass der Fall nie aufgeklärt wurde. Das Verschwinden seiner Altersgenossin muss ihn zutiefst getroffen haben. Für das Nicht-Gelingen der Aufklärung des Falles hat er eine Erklärung parat: er wähnt in seinem Umfeld ein Kartell des Schweigens, welches nun zur Projektionsfläche für seine unbewältigten Emotionen wird.

Ich kann mir auch gut vorstellen, das es eine ungeheure emotionale Spannung bedeutet, einerseits an der Seite des Hl. Vaters zu stehen, sozusagen im Mittelpunkt des kirchlichen Weltgeschehens, andererseits von ihm als Butler eine völlige emotionale Abstinenz, Verschwiegenheit und Nichteinmischung gefordert ist.

Die emotionale Belastung, der er ausgesetzt war, und die in seinem Umfeld erlebte und – ob zu recht oder zu unrecht – geforderte Diskretion erklärt aber nicht allein sein abnormes Verhalten. Es muss eine Persönlichkeitsstörung vorliegen, zum Beispiel narzisstischer Art, welche dazu führte, dass er die bekannten Verhaltensauffälligkeiten zeigte und schließlich in solch massiver und irrationaler Weise in das Gegenteil der von ihm erwarteten Diskretion verfiel. Seine Fehlhandlung war aber keine kurzfristige Handlung im Affekt. Vielmehr überbaute er seine erlebte Ohnmacht und sein leaks-Verhalten mit dem Selbstbild eines Helden, der unter göttlichem Einfluss die Kirche rettet.

Als Nuzzi im Interview durch den ksta auf die – so der Interviewer – auch vom Vatikan vertretene Auffassung einer Persönlichkeitsstörung Gabrieles angesprochen wird, antwortet er: Soll das etwa heißen, der Papst hat sich jahrelang mit einem Spinner umgeben, und niemand hat es bemerkt?  Ich meine ja, abgesehen mal von dem Ausdruck Spinner, welcher hier in bewusst rhetorisch übertreibender Weise eingesetzt wird. Persönlichkeitsstörungen werden oft nicht frühzeitig erkannt.

Heute wurde nun das Interview mit Gabriele vom Februar in voller Länge ohne Verzerrung der Stimme ausgestrahlt:

Vielleicht hat ja einer meiner Leser ausreichende Italienischkenntnisse, um dem Interview folgen zu können.

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