Die kirchliche und die modernistische Anrufung Gottes

An einen Satz aus Sacrosanctum Concilium möchte ich heute noch einmal anknüpfen:

…denn ehe die Menschen zur Liturgie hintreten können, müssen sie zu Glauben und Bekehrung gerufen werden: „Wie sollen sie den anrufen, an den sie nicht glauben?…“ Sacrosanctum Concilium (SC) 9

Die Anrufung Gottes und der Glaube an ihn sind demnach eng miteinander verbunden, zumindest in dem Sinne, dass jemand, der nicht oder nicht recht glaubt, Gott nicht nicht oder nicht recht anrufen kann.

Mir ist aufgefallen, dass die Kirche in der heiligen Liturgie eine Vielfalt von Anrufungen Gottes verwendet. Eine ganz bestimmte Anrufung, die immer wieder in selbst verfassten Gebeten in die Liturgie hineingetragen wird, verwendet die Kirche in ihren offiziellen Texten jedoch nie. Umgekehrt habe ich wahrgenommen, dass diejenigen, die regelmäßig gegen die liturgische Ordnung verstoßen, nicht die Vielfalt der kirchlichen Gottesanrufungen verwenden, sondern in quasi dogmatischer Weise immer nur diese eine. Die häufigsten Formeln der kirchlichen Gottesanrufung (in u. a. Liste am Anfang) werden von diesen Personen geradezu gemieden wie vom Teufel das Weihwasser.

Die Anrede Gottes im lateinischen Ritus der römisch-katholischen Kirche, exemplarisch entnommen und der Häufigkeit nach geordnet nach den Tagesgebeten, wie sie im SCHOTT-Messbuch Lesejahr A abgedruckt sind:

Allmächtiger Gott

Allmächtiger, ewiger Gott

Herr, unser Gott

Gott, unser Vater

Barmherziger Gott

Gott

Allmächtiger und barmherziger Gott

Gütiger Gott

Großer und heiliger Gott

Gott, unser Herr

Heiliger Gott

… und siebzehn weitere Attribute, unter denen Gott angerufen wird, niemals aber …

die beliebte Gottesanrede der Liturgieveränderer:

Guter Gott

Man wird einwenden, diese Anrede sei doch nicht falsch. Jesus selbst habe gesagt, Gott sei gut (Mk 17,17, Lk 10,18). Warum verwendet die Kirche diese Anrede nicht? Ich weiß es nicht.

Warum aber verwenden die Liturgieveränderer nicht den Sprachgebrauch der Kirche? Die Ursache dieses gewohnheitsmäßigen wenn nicht zwanghaften Verhaltens, die überlieferten und vielfältigen Gottesanrufungen durch eine einzige unübliche zu ersetzen, mögen Religionswissenschaftler herausfinden. Ich kann nur spekulieren, dass diese Redeweise mit einem Unvermögen oder Unwillen zusammenhängt, Gott als übergeordnet anzuerkennen.

Ein Gutes hat der abweichende Sprachgebrauch: man weiß durch das Signalwort gleich, woran man ist.

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