Aus der heute veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung auf Seite 9:
1. Die Beiträge, die ein im Jahre 2000 geborenes Kind bei in jeder Hinsicht durchschnittlichem Erwerbsverhalten im Laufe seines gesamten Lebens unter dem geltenden Recht an die gesetzliche Rentenversicherung zahlen wird, übersteigen die dadurch erworbenen Rentenansprüche voraussichtlich um rund 158.300 Euro (Barwert für 2010). Berücksichtigt wird dabei auch die von einem solchen Kind im Durchschnitt zu erwartende Zahl von Kindeskindern, die die Rente des ersten Kindes im Wesentlichen selbst finanzieren werden.
2. Dagegen belaufen sich die Rentenansprüche, die die Betreuungsperson – im Regelfall: die Mutter – durch die Anrechnung von Erziehungszeiten für ein solches Kind erhält, bei vergleichbarer Berechnung nur auf 17.100 Euro (Barwert für 2010). Für vor 1992 geborene Kinder, deren rentenrechtliche Berücksichtigung aktuell diskutiert wird, sind solche Ansprüche sogar noch weit niedriger. Weil sie ihre Erwerbstätigkeit zur Erziehung von Kindern oft einschränken, fallen die Renten von Eltern unter dem geltenden Recht insgesamt zumeist niedriger aus als Renten von Personen ohne Betreuungspflichten mit ansonsten vergleichbarer Versichertenbiographie.
3. Durch öffentlich finanzierte Ausgaben für Gesundheit, Bildung und familienpolitische Leistungen beteiligt sich die Gesellschaft an der Erziehung und Ausbildung eines heute noch jungen Kindes. Der „externe Effekt“, den das Kind im Rahmen des Rentensystems zugunsten der nächst-älteren Generation erzeugt, wird dadurch aber bei weitem nicht ausgeglichen. Insgesamt ergibt sich für ein durchschnittliches Kind aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihm geleisteten Sozialbeiträge und Steuern über die von ihm in Anspruch genommenen Geld und Sachleistungen in Höhe von 103.400 Euro (Barwert für 2010).
Die im Originaltext der Studie in der Einleitung genannten Zahlen sind deshalb doppelt so hoch wie in der oben zunächst verlinkten Pressemitteilung zur Studie, weil der Kindeskindereffekt hier mit berücksichtigt wurde (vgl. S. 39/47).
Die Zahlen sind neu, der Tatbestand ist seit Jahrzehnten bekannt. Die Beseitigung dieser Ungerechtigkeit wurde 2001 vom Bundesverfassungsgericht angemahnt, 2005 von der SPD-Grünen-Bundesregierung aber abgelehnt. In der Bertelsmann-Studie heißt es dazu auf S. 16:
Mit seinem aufsehenerregenden „Pflegeurteil“ vom 3. April 2001 (1 BvR 1629/94) hat das Bundesverfassungsgericht die bis dahin einheitliche Beitragsbemessung für Eltern und Kinderlose in der sozialen Pflegeversicherung für verfassungswidrig erklärt, weil die Leistungen von Eltern bei der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder dort nicht angemessen berücksichtigt werden, die für die Funktionsfähigkeit des Systems konstitutiv sind. Zugleich forderte das Gericht den Gesetzgeber auf, die Bedeutung des Urteils für andere Zweige der Sozialversicherung zu prüfen, und gab ihm daher bis Ende 2004 Zeit, verfassungskonforme Neuregelungen zu finden. In der Pflegeversicherung, auf die sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar bezog, wurde dieser Auftrag mit der Einführung des Beitragszuschlags für Kinderlose in Höhe von 0,25 Prozentpunkten zum 1. Januar 2005 bestenfalls halbherzig umgesetzt. Dass das Urteil auch Bedeutung für die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung habe, wies die Bundesregierung dagegen in einem von ihr vorgelegten Bericht (BT-Drs. 15/4375) zurück.
Ich hoffe sehr, dass diese Studie nicht in der Schublade verschwindet, sondern dazu beiträgt, die drohende demographische Katastrophe abzuwenden.