Predigtschock:
„Sexualität ist das Schönste von der Welt.“
So sprach am Samstag abend ein Pfarrer der Diözese Mainz in seiner Predigt. Nach der Heiligen Messe fragte ich andere Zuhörer, ob ich mich nicht verhört hatte. Nein, ich hatte mich nicht verhört. Er hatte es so gesagt.
Falls jemand nach dem Kontext fragt – ausgehend von der ersten Lesung erläuterte er die Rechtfertigung durch den Glauben und erklärte, dass Gott kein Buchhalter sei, der die Einhaltung der Gebote überprüfe.
Man kann natürlich spekulieren, die Aussage sei im potentiellen oder theoretischen Sinne gemeint gewesen. Allerdings hat er nicht die Kann-Form verwendet. Das naheliegende Verständnis ist, dass, wenn jemand etwas als schön im Superlativ bezeichnet, er von einer praktischen Erfahrung schwärmt, zu der er andere pauschal ermuntern will. Und das klingt aus dem Mund eines katholischen Pfarrers zumindest recht merkwürdig. Ich bin erst einmal geneigt, ihm die Kompetenz für eine solche Aussage abzusprechen unter der Annahme, dass er auch persönlich die kirchliche Morallehre beachtet. Und selbst wenn er nur von anderen davon gehört hat, dann hat er offenbar noch nie die Stimme derer gehört, die sexuell benutzt wurden, die betrogen wurden, die gar Opfer sexueller Gewalt geworden sind.
Nein, als glücklich verheirateter Ehemann kann ich sagen, es besteht kein Grund, Sexualität zu glorifizieren. Sexualität ist eine Aufgabe, deren Bewältigung gelingen kann, die aber auch dramatisch scheitern kann.
Gott hat den Menschen mit Sexualität und den damit einhergehenden angenehmen Empfindungen ausgestattet, damit er überhaupt einen ausreichenden Antrieb hat, an der Entstehung neuen menschlichen Lebens mitzuwirken. Und er hat Gebote gegeben, die dazu helfen sollen, dass der Mensch in der Ausübung der Sexualität nicht zum Objekt wird.
Und ja, eine gelungene Gestaltung sexuellen Miteinanders kann zur Stabilität und Tiefe einer Ehe beitragen.
Aber „das Schönste von der Welt“? Die Aussage des Pfarrers in ihrer Pauschalität klingt nicht nach Jesus, sie lässt nicht die kirchliche Lehre wiedererkennen. Vielmehr scheint es, dass dem Herrn Pfarrer die Zeit gekommen zu sein scheint, endgültig die Ideologie der sexuellen Revolution mit ihrem Kampf gegen das sechste Gebot in seine Pfarrei hineinzutragen. Doch wen wundert’s?
Die sexuelle Revolution ist bei der Deutschen Bischofskonferenz angekommen
Die Deutsche Bischofskonferenz hat erst vorgestern in ihrer abschließenden Pressekonferenz verkündet, Zölibat der Priester und die Sexualmoral der Kirche zur Disposition zu stellen, womit die hohen Standards der katholischen Spiritualität in Bezug auf Priesteramt und würdige Sexualität weiter zurückgebaut werden. In welche Richtung es gehen soll, wurde dadurch demonstriert, dass man den Moraltheologen Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff darüber hat referieren lassen, wie anachronistisch, widersprüchlich und lebensfremd die kirchliche Sexualmoral sei. In der folgenden bischöflichen Debatte wurden lediglich die Kriterien Konsensualität (Einwilligung) und eine nicht näher spezifizierte Treueverpflichtung der Sexualpartner als bleibende Kriterien kirchlicher Sexualmoral aufrechterhalten. Dies sind genau die Kriterien, welche ja auch in sexuellen Beziehungen zwischen Personen gleichen Geschlechts, formal selbst mit Abhängigen, erfüllt werden können. McCarrick lässt grüßen. Die bisher gültigen Kriterien der Ehe (zwischen einem Mann und einer Frau) und der Prokreation (Offenheit für die Entstehung neuen Lebens) für eine zulässige sexuelle Praxis scheinen demnach verzichtbar zu sein.
Weiter soll die katholische, hier genannt „kirchliche“, Sexualethik nur als Angebot, also völlig unverbindlich, vermittelt werden. Abgelehnt wurde eine „ naturalistisch kurzschlüssige Verbotsethik“, offenbar in Anspielung auf das Naturrecht und ein vor Jahrzehnten einmal übliches normatives Sprechen vom 6. Gebot. Es scheint, das 6. Gebot steht zur Disposition.
Doch wen wundert’s?
In Abu Dhabi wurde ja erst am 4. Februar das 1. Gebot zur Disposition gestellt.